Die deutsch-tschechischen Beziehungen sind momentan besser denn je. Davon konnten sich mein Kollege Stephan Mayer und ich auf unserer kürzlichen Delegationsreise der von mir geleiteten Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor Ort überzeugen.
Andreas Künne, der deutsche Botschafter in Prag, briefte uns im Rahmen eines Abendessens über die wichtigsten Grundlagen der bilateralen Beziehungen: der Nachbarschaftsvertrag von 1992 und die deutsch-tschechische Erklärung von 1997. Der Botschafter erläuterte wie eng das deutsch-tschechische Verhältnis sei: beide Länder arbeiteten intensiv zusammen in der Europäischen Nachbarschaftspolitik, auf dem westlichen Balkan sowie bei der Unterstützung der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges. Zudem habe sich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Bundesländern Bayern und Sachsen in den letzten Jahren weiter intensiviert. Natürlich haben wir uns im Palais Lobkowicz auch den Balkon angesehen, auf dem der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher im Herbst 1989 seine berühmte Rede zur bevorstehenden Ausreise der DDR-Flüchtlinge gehalten hatte.
Im Prager Büro der Sudetendeutschen Landsmannschaft trafen wir auf den langjährigen Leiter Peter Barton, der uns die jüngsten Stationen der Versöhnungsarbeit vorstellte. Denn auf dem Sudetendeutschen Tag 2023 vertrat mit Bildungsminister Mikulás Bek erstmals ein Kabinettsmitglied die Prager Regierung und hielt auf deutsch eine bemerkenswerte Rede. Auf dem diesjährigen 74. Sudetendeutsche Tag in Augsburg wiederum hat der tschechische Botschafter Tomáš Kafka ein Grußwort des Staatspräsidenten Petr Pavel überbracht, das sehr positiv aufgenommen wurde und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder würdigte das herausragende Niveau der Beziehungen zwischen Bayern und Tschechien. Großes Ziel von Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, sei im Jahr 2026 – also 80 Jahre nach der Vertreibung (1946) – den Sudetendeutschen Tag in der alten Heimat durchzuführen.
Unsere Gruppe besuchte ebenfalls den Sitz der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik, die Dachorganisation der deutschen Minderheit in Tschechien. Präsident Martin Dzingel wartete mit guten Nachrichten auf, denn die tschechische Regierung hat Anfang des Jahres beschlossen, die Rechte der deutschen Minderheit zu stärken und Teil III der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen auf Deutsch anzuwenden. Damit erhält die deutsche Sprache die höchste in der Charta vorgesehene Schutzstufe. Martin Dzingel erklärte uns das Motto seiner Arbeit „Geschichte erzählen – Zukunft gestalten”: Die Landesversammlung erinnert an die vielseitige Geschichte der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik, leistet mit zahlreichen Projekten einen Beitrag zu einer aktiven deutsch-tschechischen Partnerschaft und fördert den Kulturaustausch.
Persönlich bewegend war für mich die Fahrt ins ehemalige Kuhländchen über Nový Jičín/Neutitschein nach Kunín/Kunewald. Dort steht nämlich bis heute das unveränderte Wohnhaus meiner Familie mütterlicherseits, deren heutige Bewohner uns freundlich in den Garten luden. Auch mein Kollege Stephan Mayer konnte auf der Weiterfahrt in die sog. Wischauer Sprachinsel im Dorf Komořany na Moravě/Gundrum das umgebaute Haus seiner Familie väterlicherseits besuchen.
Highlight war die Teilnahme am diesjährigen Brünner Versöhnungsmarsch, wo wir am Friedhof in Pohořelice/Pohrlitz einen Kranz der Fraktion für die Opfer niedergelegt haben. In zahlreichen Gesprächen, insbesondere mit Zeitzeugen, ist uns bewusst geworden, dass die Vertreibung der Sudetendeutschen aus den böhmischen Ländern bis heute ein Trauma für die Betroffenen und ihre Nachfahren ist und die Versöhnung weiter vorangetrieben werden muss.