Quasi direkt vor unserer Haustür, im Regionalzug von Kiel nach Hamburg wurde ein Verbrechen begangen, bei dem am Ende zwei Menschen tot und zahlreiche weitere verletzt waren. Zahlreiche Mitreisende, die die Tat mit ansehen mussten, wurden traumatisiert und schockiert. Trotzdem haben diese Mitreisenden durch mutiges Eingreifen wohl noch Schlimmeres verhindert. Unser aller Gedenken und Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Angehörigen.
Dieser furchtbare Fall ist ein Musterbeispiel für die Schwächen unseres Rechtsstaats. Er hat eine gesellschaftliche und eine politische Dimension:
1. Der Täter, ein staatenloser Palästinenser, hatte bei uns einen Schutzstatus und behielt diesen auch nach zahlreichen, teilweise schweren Straftaten, obwohl er offenbar nicht politisch verfolgt wurde. Der Versuch einer Rückführung wurde nicht unternommen. Aber selbst wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Schutzstatus aberkannt hätte, wäre eine Abschiebung unter den gegebenen Bedingungen faktisch undurchführbar gewesen, da es keinen Staat und auch keinen Flughafen gab, zu dem der Straftäter hätte zurückgeführt werden können. Viele Staaten kooperieren bei Rückführungen nicht. Insofern ist das ein Problem, welches die Bundesregierung angehen muss. Ob Migrationsabkommen der richtige Weg sind, sei dahingestellt. Wenn Bundesinnenministerin Faeser sich jedoch fragt, warum der Täter noch im Land war, gleichzeitig aber den Visahebel (also schlechtere Visabedingungen für Reisende aus nicht kooperierenden
Herkunftsländern) auf EU-Ebene ablehnt, dann gibt sie ein wesentliches Instrument zur Umsetzung von Abschiebungen aus der Hand und treibt ein unaufrichtiges Spiel mit der Öffentlichkeit.
2. Der Täter hatte eine langen Strafakte mit 20 Ermittlungsverfahren, er war immer wieder gewalttätig. Für eine erste gefährliche Körperverletzung wurde er nur zur Bewährung verurteilt, obwohl es insgesamt drei rechtskräftige Verurteilungen des Mannes in seiner Zeit in Nordrhein-Westfalen gab. Als der Täter in Hamburg sich wiederum einer gefährlichen Körperverletzung schuldig machte, wurde er zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Bei einer Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Haft blieb das Urteil trotz vorangegangener schwerer Straftaten im untersten Bereich.
3. Weil der Täter Rechtsmittel einlegte und die Hamburger Justiz nicht in der Lage war, den Fall in angemessener Zeit rechtskräftig zu Ende zu bringen, verblieb der Täter in Untersuchungshaft und gelangte nicht in Strafhaft. Dies wirft ein Schlaglicht auf die Zustände an Hamburgs Gerichten und ihre Arbeitsfähigkeit.
4. Die Vorgeschichte des Täters führte nach der Haft zu keinen Maßnahmen der Sicherheitsverwahrung, psychologischer Betreuung oder polizeilicher Aufsicht zum Beispiel durch Auflagen, wie der täglichen Meldung beim örtlichen Polizeirevier. Somit geriet der Täter unmittelbar nach seiner Haftentlassung aus dem Blickfeld der Sicherheitsbehörden und es wurden alle Möglichkeiten versäumt, den Täter zu therapieren oder zumindest daran erinnern, dass er im Fokus der Polizei war.
Obwohl wir es mit einem eklatanten Staatsversagen zu tun haben, das zwei junge Menschen das Leben gekostet hat, ist die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina der Auffassung, es sei alles richtig gemacht worden. Ich bin nicht dieser Meinung und ich bin der Überzeugung, da dies nicht der erste und einzige Fall dieser Art ist, dass dringend politischer Handlungsbedarf besteht. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel bei allen Verantwortlichen in Bund und Ländern sowie bei Richtern und Staatsanwälten. Die viel beschworene Härte des Rechtsstaates muss auch erkennbar hart sein und die konsequente Abschiebung von Straftätern darf nicht nur in der Theorie erfolgen. Der Schutz der eigenen Bürger darf nicht auf der Strecke bleiben, wenn es um die individuellen Rechte ausländischer Straftäter geht. Wir müssen umsteuern, denn das Sicherheitsversprechen für die Bürger ist elementar in jedem Rechtsstaat und die Bürger müssen darauf vertrauen können.