Der Fall der Entlassung von Arne Schönbohm als Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor knapp einem Jahr hat ein Nachspiel für Bundesinnenministerin Faeser. Es geht dabei um schwerwiegende Vorwürfe: Missachtung der Fürsorgepflicht für einen führenden Mitarbeiter, Entlassung aufgrund eines Fernsehberichts (dem am Ende jede Grundlage fehlte), Versuch der Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes, um Schönbohm doch noch irgendeine Verfehlung anzuhängen und sich damit der Verfolgung Unschuldiger als Straftat schuldig gemacht zu haben.
Anlass des Wiederaufflammens des Themas war ein Vermerk des Leiters der Zentralabteilung des Bundesinnenministeriums, von Simson, der Anfang September bekannt geworden war. Darin hieß es: „Disziplinarverfahren Schönbohm: sie [Faeser] unterzeichnet unsere Vorlage derzeit nicht und war sichtlich unzufrieden. Sie fand die Dinge, die wir ihr zugeliefert haben, zu „dünn“ – wir sollten nochmals BfV [Bundesamt für Verfassungsschutz] abfragen und alle Geheimunterlagen zusammentragen. Ich habe ihr gesagt, dass wir alle relevanten Behörden und Abteilungen bereits beteiligt hätten und es schlicht nicht mehr gäbe.“
Dieser Vermerk intendiert, dass die Ministerin Schönbohm unbedingt etwas anhängen wollte, dass sie eine rechtswidrige nochmalige Abfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz wollte, der ihr außerhalb des Dienstwegs zugeliefert werden sollte. Durch die Einberufung einer Sonderausschusssitzung gaben wir der Ministerin die Möglichkeit, diese Vorwürfe persönlich auszuräumen. Diese fand am 12. September statt, doch die Innenministerin blieb erst mit Hinweis auf eine Corona-Infektion, später mit Berufung auf einen Arzttermin zur Corona-Nachsorge, fern. Wenige Stunden nach dem Ausschuss am selben Tag gab sie jedoch ein Wahlkampfinterview zur Hessischen Landtagswahl als Spitzenkandidatin der SPD. Daraufhin wurde auf Unionsantrag eine weitere Sondersitzung des Innenausschusses am 14. September einberufen, der Faeser wieder und diesmal ohne Begründung fernblieb, obwohl von vornherein klar war, dass nur sie die Vorwürfe aufklären könnte – eine grobe Missachtung des Parlaments.
Erst an diesem Mittwoch nahm Faeser an einer Sitzung des Innenausschusses teil, offenbar weil es auch Unmut aus den Reihen der Ampelkoalition gegeben hatte. Führende Vertreter von FDP und Grünen kritisierten dann auch in den Medien, dass sich die Ministerin zu spät den kritischen Fragen des Ausschusses stellte. Nachdem Faeser lange auf konkrete Fragen zum oben zitierten Vermerk nicht geantwortet hatte, stellte sie ihn schließlich als teilweise unzutreffend dar. So verneinte die Ministerin, von ihren Beamten eine erneute Anfrage des Bundesamts für Verfassungsschutz eingefordert zu haben, während sie die im Vermerk Bemerkung „zu dünn“ als zutreffend beschrieb, aber mit ihrem Wunsch nach mehr Information
Begründete. Mit dieser neuen Behauptung stellt sich aber die Frage, wer hier die Unwahrheit sagt, Faeser oder ihr Zentralabteilungsleiter, der gleichzeitig ihr Vermieter und vermutlich auch derjenige Mitarbeiter ist, der ihr politisch und persönlich am nächsten steht. Der Vermerk ist in der Sache der erneuten Anfrage an das Bundesamt für Verfassungsschutz eindeutig, er spricht zudem auch von einer Unzufriedenheit der Ministerin. Dies stützt die These, sie sei nicht zufrieden damit, dass keine ausreichenden Beweise gegen Schönbohm vorgelegt wurden. Eine Klärung kann nur durch eine Befragung des Abteilungsleiters von Simson und gegebenenfalls weiterer Beamter des Ministeriums erfolgen.
Ebenfalls nicht ausgeräumt werden konnte der Vorwurf, die Ministerin habe Arne Schönbohm als Chef des BSI letztlich wegen eines unzutreffenden diffamierenden Fernsehberichts abgesetzt. Zwar bemühte sich die Ministerin darum, diesen Eindruck im Ausschuss zu zerstreuen, indem sie hier schon vor dem Fernsehbericht ihrerseits die Beobachtung einer mangelnden Eignung Schönbohms für den Posten behauptete, belegen konnte sie dies jedoch nicht. Zweifel an ihrer Darstellung bestehen auch deshalb, weil bereits im Juni 2022 belastendes Material im BMI gegen Herrn Schönbohm gesammelt werden sollte, das letztlich aber keine substanziellen Verfehlungen ergab, die eine Abberufung gerechtfertigt hätten. Dieser Lesart widerspricht auch die Verbotsverfügung von Faesers Zentralabteilung Z, wo an erster Stelle der Beitrag des Fernsehmoderators Jan Böhmermann als Grund genannt wird.
Es bleibt also das Fazit, dass die Ministerin die Vorwürfe auch mit dieser Befragung im Innenausschuss nicht ausräumen konnte. Ihre Erklärungen widersprechen dem Vermerk ihres Abteilungsleiters, dessen Darstellung zudem stringenter wirkt. Diese Widersprüche müssen dringend aufgelöst werden. Die Glaubwürdigkeit der Ministerin ist tief erschüttert.