Die am Mittwoch von Bund und Ländern vereinbarten Maßnahmen sind hart und die Eingriffe in die Wirtschaft, das kulturelle und gesellschaftliche Leben und die Rechte des Einzelnen sind erheblich. Die Berichte von einem „Lockdown Light“ sind insofern durchaus zutreffend. Reisen, Hotellerie, Gastronomie, Kultur-, Sport- und Freizeitaktivitäten werden weitgehend heruntergefahren. Auch strenge Kontaktbeschränkungen im öffentlichen und privaten Bereich sind wieder in Kraft. Als Erfahrung aus dem ersten umfassenden Lockdown im Frühjahr dieses Jahres und fortgeschrittenen wissenschaftlichen Erkenntnissen haben sich die Regierenden aus Bund und Ländern aber ganz bewusst gegen eine Schließung von Schulen und Kitas und damit für die Bildungschancen der Schülerinnen und Schüler entschieden.
Die Bundeskanzlerin hat diese Maßnahmen gestern in ihrer Regierungserklärung als „geeignet, erforderlich und verhältnismäßig“ beschrieben. Sie hat die Lage mehrfach als „dramatisch“ bezeichnet. Diese Meinung teile ich, denn eine Zahl der täglichen Neuinfektionen im fünfstelligen Bereich, die in 75% der Fälle nicht mehr mögliche Kontaktnachverfolgung und die inzwischen wieder ansteigende Zahl von Menschen, die intensivmedizinisch betreut werden müssen, zwingen uns zum Handeln. Ein ungebremst steigendes Infektionsgeschehen wie zuletzt hätte in wenigen Wochen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen gesundheitlichen Notstand in Deutschland mit der Überforderung unseres Gesundheitssystems zur Folge. Dies erleben wir bereits in einigen europäischen Nachbarländern, die als Reaktion nun zu deutlich stärkeren Beschränkungen der Freiheitsrechte bis hin zu Ausgangssperren greifen müssen.
Die sachliche Kritik an den Beschlüssen entzündet sich weniger an der Beurteilung der Lage als vielmehr an der Bewertung, ob die Maßnahmen für die Eindämmung der Infektionen geeignet sind. Es wird zu Recht darauf verwiesen, dass die Ansteckungszahlen beim Besuch kultureller Veranstaltungen oder in der normalen Gastronomie eher überschaubar gewesen sind. Viele Gastronomen und Betriebe und Einrichtungen aus dem Freizeitgewerbe, der Kultur, dem Tourismus und köpernahen Dienstleistungen haben in Hygienekonzepte investiert und alle Vorgaben vorbildlich umgesetzt. Sie haben zudem schon jetzt Existenzängste. Diese Anstrengungen waren richtig und notwendig, aber sie reichen in dieser Situation leider nicht mehr aus zur Eindämmung der Corona-Pandemie.
Notwendig ist in dieser dramatischen Lage eine drastische Reduzierung aller persönlichen Kontakte auf ein absolutes Minimum. Auch diese Schließungen reduzieren die Begegnungen der Menschen, die sich zu Restaurantbesuchen, Kulturveranstaltungen oder zu sportlichen Aktivitäten treffen und haben damit ihren Sinn. Diese Beschränkungen stärken zudem das über den Sommer etwas zurückgegangene Bewusstsein für den ernst der Lage. Wichtig ist, dass die Zahl der privaten Begegnungen, der Feiern in Privatwohnungen ebenfalls zurückgeht. Wir werden dieses Krise nur solidarisch und in einer nationalen Kraftanstrengung überwinden können. Nur mit Empathie für die Lage von älteren und vorerkrankten Menschen werden wir auch diese zweite Welle brechen. Denn, wie es unser Fraktionsvorsitzender Ralph Brinkhaus sinngemäß gesagt hat: Es geht nicht nur um Freiheit der jungen und gesunden Menschen, sondern auch um die Freiheit der Menschen mit COPD oder anderen Erkrankungen, die das Haus nicht mehr verlassen können oder um pflegebedürftige Menschen, die nun wieder keinen Besuch empfangen dürfen. Freiheit bedeutet für uns als Christdemokraten eben nicht das Recht des Stärkeren sondern gerade in dieser Lage das Recht der Schwächeren auf Schutz ihres Lebens. Niemand hat in dieser Pandemie die absolute Wahrheit gepachtet und manches wird sich angesichts weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse auch als Fehler erweisen. Aber all dies können wir als Politik korrigieren. Der Tod von Menschen ist dagegen irreversibel und deshalb ist der Schutz des Lebens unserer Bürger auch höchster Maßstab unseres politischen Handelns.
Wichtig ist, dass alle Unternehmen, Einrichtungen und Solo-Selbstständigen, die nun von den temporären Schließungen betroffenen sind, finanziell umfangreich durch den Staat unterstützt werden. Dies ist mit einer Erstattung des Vorjahresumsatzes von bis zu 75% für Unternehmen und verbesserten Konditionen für den Zugang zu den Überbrückungshilfen in den folgenden Monaten sichergestellt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier wurden mit der Umsetzung innerhalb der nächsten Tage beauftragt. Die Hilfen müssen auskömmlich und unbürokratisch sein und vor allem rasch fließen. Hierauf werden wir als Parlament drängen.