Im Vorfeld der Verabschiedung des 3. Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung in einer pandemischen Lage von nationaler Bedeutung, das wir am Mittwoch beschlossen haben, gab es viel Aufregung. Viele Behauptungen dazu waren schlicht falsch, andere berechtigte Kritik haben wir durch Änderungsanträge am Gesetzentwurf der Bundesregierung aufgenommen. Für alle Interessierten fasse ich die wichtigsten Fakten auch an dieser Stelle nochmal zusammen:
- Alle Regelungen des Gesetzentwurfes dienen der Erfüllung des Grundgesetzes, nämlich konkret der Erfüllung des staatlichen Schutzauftrags aus Artikel 2 Abs.2 S.1 des Grundgesetzes: “Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Alle im Gesetzentwurf getroffenen Maßnahmen bauen auf diesem zentralen Rechtsgut auf. Sie sind überdies nur in einer extremen Notlage anwendbar, in der zu befürchten ist, dass dieses Gut bei Unterlassung von tiefgreifenden Maßnahmen für viele Menschen nicht mehr gewährleistet werden kann.
- Die epidemische Lage von nationaler Tragweite besteht fort, und dies stellen wir als Gesetzgeber mit einem Zusatzantrag der Regierungsfraktionen diese Woche auch noch einmal ausdrücklich fest. Innerhalb nur eines Monats (vom 15.10 – 13.11.2020) sind die Neuinfektionen um das 3,5-fache gestiegen, die Zahl der Menschen, die an oder mit Corona verstorben ist, ist 6,6 mal so hoch, und die Auslastung der Intensivkapazitäten hat sich verfünffacht. Damit hat sich die epidemische Lage auch unter Berücksichtigung eines deutlich höheren Testvolumens gegenüber dem Frühjahr noch spürbar verschlimmert. Insofern waren und sind die aktuellen Beschlüsse der Kanzlerin und Ministerpräsidenten zum Schutz der Bevölkerung nicht nur angemessen, sondern auch dringend erforderlich.
- Die Kritik, das 3. Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite beschneide das Parlament in seinen Rechten und beschränke die Bürgerrechte unverhältnismäßig, ist unzutreffend. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bundesregierung und die Länder erhalten keine wesentlichen Befugnisse, die sie heute noch nicht haben, sondern die gesetzliche Grundlage für staatliche Eingriffe wird vielmehr konkretisiert mittels des neuen § 28a InfektionsschutzG, präzisiert durch Bezugnahme auf konkrete Inzidenzwerte und begrenzt hinsichtlich Reichweite, Intensität und Dauer der Beschränkungen. So müssen die Länder künftig Infektionsschutzmaßnahmen näher begründen und dürfen sie jeweils auf höchstens vier Wochen befristen. Zudem wird eine fortlaufende Informationspflicht gegenüber dem Parlament festgeschrieben.
- Die im § 28a IfSG aufgeführten staatlichen Eingriffe wie Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum, Schließung von Gastronomie, Sport- und Kultureinrichtungen u.a. waren bereits zuvor auf Grundlage der Paragraphen 28-32 des derzeit gültigen Infektionsschutzgesetzes möglich und wurden von den Landesregierungen per Rechtsverordnung auch verhängt (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/IfSG.pdf). Der wesentliche Unterschied ist, dass diese Maßnahmen bislang nicht konkret benannt wurden. Nach bisheriger Rechtslage könnte die Exekutive insofern sogar weitergehende oder andere Maßnahmen ergreifen, als wir dies in Zukunft vorhaben. Insofern ist es zutreffend, dass das Gesetz in unterschiedliche Freiheitsrechte eingreift, aber dies hat das Infektionsschutzgesetz auch bisher schon getan. Diese Eingriffe werden im Gesetzentwurf nicht erweitert, sondern sie werden im §28a konkretisiert. Die Eingriffe sind also keinesfalls neu.
- Zusätzlich haben die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD berechtigte Kritikpunkte aufgenommen und mittels Änderungsanträgen zum Gesetzesentwurf umgesetzt. Wir haben dabei die Rechte des Parlaments gestärkt und eine fortlaufende Berichtspflicht der Bundesregierung an den Bundestag eingeführt, solange die epidemische Lage nationaler Tragweite besteht. Die Maßnahmen des § 28a IfSG, die die Exekutive ergreifen darf, wurden noch stärker konkretisiert. Die genannten Maßnahmen sind nur auf COVID-19 bezogen und somit nicht auf andere Krankheiten unmittelbar anwendbar. Besondere Schutzgüter, wie Versammlungen, religiöse Zusammenkünfte, Ausgangbeschränkungen und Besuche in Pflegeheimen, dürfen nur verboten werden, wenn „auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 erheblich gefährdet wäre.“ Anders als es die AfD beispielsweise fordert wird weiterhin die vollständige Isolation von betreuten und gepflegten Personen ausdrücklich ausgeschlossen. Zudem wird explizit erwähnt, dass die Schutzmaßnahmen am Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems ausgerichtet sein müssen. Durch diese Änderungsanträge und die explizite Aufzählung erlaubter Maßnahmen bindet das Parlament die Exekutive stärker als jemals zuvor in der Pandemielage.
- Über die epidemische Lage von nationaler Tragweite kann weiterhin nur der Deutsche Bundestag entscheiden. Die Parameter für das Vorliegen einer solchen Lage werden dabei künftig im Gesetz definiert. Es muss eine objektiv ersichtliche, ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland bestehen, weil die WHO eine gesundheitliche Notlage von internationaler Notlage ausgerufen hat oder eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit droht oder stattfindet. Durch die fortlaufende Information der Bundesregierung wird das Parlament immer auf dem Laufenden gehalten. Insofern wird sich der Bundestag zukünftig fortlaufend mit der Lage der Coronapandemie beschäftigen und hat dabei jederzeit die Möglichkeit, die epidemische Lage nationaler Tragweite wieder aufzuheben und damit auch die weitreichenden Befugnisse der Exekutive zu beenden, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.
Ich denke, dies macht deutlich, dass die teilweise geäußerten Befürchtungen im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf jeder Grundlage entbehren. Deshalb habe ich am Mittwoch auch aus voller Überzeugung dafür gestimmt.