Seit Jahrzehnten werden Frauen, Homosexuelle und Oppositionelle im Iran auf Grundlage islamischen Scharia-Rechts unterdrückt, gefoltert und hingerichtet. Die Aussage von Außenministerin Annalena Baerbock und Staatssekretär Sven Lehmann, die Gewalt des Regimes habe nichts mit Religion zu tun, ist nicht nur Realitätsverweigerung, sondern verhöhnt die Opfer, die dagegen aufbegehren.
Der Islamismus ist eine auf einer bestimmten Auslegung des Islam basierende Ideologie, die Islamisten nicht nur im Iran über andere bestehende Rechtsnormen stellen. Islamisten in aller Welt berufen sich auf den Koran, auf Überlieferungen von Propheten und die Auslegungen von Gelehrten – sie behaupten, die Essenz der Religion erkannt zu haben. Darauf baut die Ideologie auf. Wenn man also den Zusammenhang zwischen Islam und Islamismus bzw. der daraus entstehenden Unterdrückung von Frauen negiert, dann ist das nicht nur sachlich falsch. Es ist auch kontraproduktiv und ein Schlag ins Gesicht für alle liberalen und säkularen Muslime, die sich für einen modernen und aufgeklärten Islam einsetzen. Hierzu äußert sich der bekannte Islamismus-Experte Ahmad Mansour in der Neuen Zürcher Zeitung: „Wer also «den Islam» schützen will, sollte sich fragen: wovor? Vor der Reform, die er so dringend braucht? Je offener die Debatte werden darf, desto mehr wird für den Islam getan. Und dazu gehört auch die Erkenntnis, dass Reformen, Kritik, Hinterfragen und Zweifeln nicht länger ignoriert werden dürfen. Weghören und wie Annalena Baerbock religiöse Hintergründe ausblenden, schützt den Islam so wenig, wie die Islamisten mit ihren Regimen den Islam schützen. Es ist Zeit, endlich das zusammenhängende Bild zu erkennen.“
Zusammenhänge negieren, um bloß keinem Muslim auf die Füße zu treten, erfüllt das Narrativ der Islamisten, die jegliche Kritik als Islamfeindlichkeit abtun wollen. Annalena Baerbock hat mit ihren Äußerungen genau dies getan. Die Frauen im Iran brauchen jedoch unsere ganze Unterstützung mit den richtigen Worten, aber auch mit harten Sanktionen. Wenigstens hier muss die Außenministerin nun rasch liefern.