Anlässlich des Jahrestages der Reichsprogromnacht beschäftigte sich der Deutsche Bundestag in dieser Woche intensiv mit den Themen Jüdisches Leben in Deutschland sowie mit Antisemitismus, auch und gerade vor dem Hintergrund steigender antisemitischer Straftaten und des Skandals um die Documenta 15 in Kassel.
Im Innenausschuss des Bundestages war dazu der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Dr. Felix Klein, zu Gast. Er berichtete über die aktuelle Situation und stand für Fragen der Abgeordneten zur Verfügung. Ein wichtiges Thema betrifft die Aufarbeitung des Documenta-Skandals, bei dem Warnungen vor antisemitischen Werken in den Wind geschlagen wurden und die Verantwortlichen augenscheinlich nicht bereit waren, den Antisemitismus auf der Kunstschau zu bekämpfen oder auf die offensichtlich nicht kooperationswilligen Kuratoren des Ruangrupa-Kollektivs effektiv einzuwirken. Klein betonte, es seien Bilder gezeigt worden, die an die antijüdische Hetze im nationalsozialistischen Blatt „Der Stürmer“ erinnern würden. Kunst dürfe vieles, aber hier sei eine Grenze überschritten worden.
Auf meine Frage, wie der Antisemitismusbeauftragte die Berufung von zwei Mitgliedern von Ruangrupa zu Gastprofessoren der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg erlebt habe, zeigte Klein seine Unzufriedenheit deutlich. Wie schon bei der Documenta sei im Vorfeld kein Gespräch mit ihm gesucht worden. Als die Berufung dann kritisiert wurde, habe sich die zuständige Wissenschaftssenatorin auf die Wissenschaftsfreiheit berufen, der Deutsche Akademische Austauschdienst, der die Professuren finanziert, zog sich auf seine inhaltliche Nichtzuständigkeit zurück. Diese Scheu, Verantwortung zu übernehmen und dem Antisemitismus entschlossen entgegenzutreten, wurde von Klein vehement kritisiert. Dass die Universität selbst wiederum die Berufung der umstrittenen Künstler damit begründete, sie wolle einen „Diskussionsraum“ eröffnen, sei nicht hinnehmbar. Es könne doch nicht Aufgabe der Studenten sein, sich mit den antisemitischen Ansichten ihrer Professoren auseinanderzusetzen, hielt Klein sinngemäß fest, der für einen Diskussionsraum zudem auch jüdische Perspektiven einforderte. Leider würden jüdische Perspektiven gerade im Kunst- und Kulturbereich generell zu wenig berücksichtigt. Der Antisemitismusbeauftragte sprach in diesem Zusammenhang auch von einem weit verbreiteten Antisemitismus im Kulturbereich und forderte Fördermittel zukünftig an ein Bekenntnis zur Ablehnung von Antisemitismus und Beschlüsse des Bundestages zur BDS-Bewegung zu knüpfen.
Außerdem erwartet Klein, dass die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, zukünftig auch Gelder für die Sensibilisierung von Akteuren im Kulturbereich im Hinblick auf Antisemitismus zur Verfügung stellen solle. Damit sich ein Antisemitismusskandal wie bei der Documenta 15 nicht wiederhole, solle der Bundeskanzler dies Thema in die Konferenz mit den Ministerpräsidenten tragen. Auch im Hinblick auf importierten bzw. islamistischen Antisemitismus forderte Klein Verbesserungen, der dies als eine wichtige Integrationsaufgabe ansah und hier besonderes Augenmerk des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei Integrationsmaßnahmen einforderte.