Unwissenheit schützt nicht vor Strafe, das gilt auch dann, wenn es sich um Kinderpornografie und deren Verbreitung im Netz handelt. Seit über einem Jahr fordern wir die Bundesregierung dazu auf, eine Mindestspeicherpflicht für IP-Adressen auf den Weg zu bringen, so wie es der EuGH in seinem Urteil auch für zulässig befunden hat. Der einzige – leider untaugliche – Vorschlag von Justizminister Buschmann ist sogenannte „Quick Freeze“, womit Daten auf Grundlage eines Verdachts eingefroren werden sollen, die eigentlich aber schon gelöscht sind. Ein Weg, den alle Landeskriminalämter und das BKA als untauglich erachten.
Auch mit Blick auf die geplante EU-Verordnung zum Schutz vor sexuellem Kindesmissbrauch steht die Bundesregierung und allen voran der Bundesjustizminister auf der Bremse. Einen alternativen Vorschlag Deutschlands auf EU-Ebene gibt es nicht und der Verordnungsentwurf ist mittlerweile so aufgeweicht, dass man den Eindruck gewinnt, der Datenschutz stünde über dem Kinderschutz, obwohl es so wichtig wäre, einheitliche und vor allem wirksame Regelungen auf EU-Ebene zu treffen. Dies gilt umso mehr, weil Europa und dabei insbesondere Deutschland die höchsten Upload-Raten kinderpornografischen Materials weltweit aufweisen, so dass erkennbar großer Handlungsbedarf besteht.
Und nun liegt ein Referentenentwurf von Herrn Buschmann auf dem Tisch, der die 2021 von der Union beschlossene Hochstufung des Besitzes, der Verbreitung und der Nutzung kinderpornografischen Materials zum Verbrechen mit einem Mindeststrafandrohung von einem Jahr rückgängig machen soll, so dass diese Straftatbestände als Vergehen zurückgestuft würden. Hintergrund ist, dass der aktuelle Rechtsrahmen keine Verfahrenseinstellung in Fällen ermöglicht, in denen Jugendliche sich unbedarft entsprechendes Material übermitteln oder Eltern beispielsweise sich Bilder ihrer Kinder zusenden, um zu informieren und eine Weiterverbreitung zu stoppen. Dies führt teilweise zu einer „Verstopfung“ von Ermittlungskapazitäten, die zur Aufklärung der eigentlichen Delikte in Zusammenhang mit sexuellem Kindesmissbrauch fehlen.
Dass es hier Handlungsbedarf gibt, ist insofern unumstritten. Ein Zurück hin zu einer allgemeinen Bagatellisierung dieser Delikte darf es aber nicht geben. Denn die EU-Richtlinie 2011/92/EU des europäischen Parlaments und des Rates von 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie und die Weiterführung, EU-Richtlinie 2011/93/EU definieren klar, dass es sich bei Kinderpornografie um schwere Straftaten handelt und diese Sicht teilen CDU/CSU auch politisch ausdrücklich.
Natürlich muss es die Möglichkeit geben, minder schwere Fälle angemessener bestrafen zu können und Verfahren bei geringer Schuld einstellen zu können. Aber es kann nicht um die Belastung des ermittelnden Personals gehen. Bei derart gewichtigen Maßnahme muss es um Recht und Gerechtigkeit und nicht um die Arbeitsökonomie in Ermittlungsbehörden und Gerichten gehen.
Statt einer Herabstufung des Tatbestandes sollte der Justizminister nach Lösungen suchen, wie er das Dilemma zwischen echten Straftaten und elterlicher Fürsorge bzw. jugendlicher Unbedarftheit löst. Dabei dürfen auch Jugendliche nicht per sé freigesprochen werden. Jeder hat sich und seinen Mitmenschen gegenüber eine Verantwortung. Aus dem aktuellen Bericht des BKAs geht hervor, dass der Anteil minderjähriger Tatverdächtiger insgesamt auf 40 % gestiegen ist
Denkbar wäre, Besitz sowie Verbreitung von Bild- und Videomaterial weiterhin strafrechtlich als Verbrechen zu behandeln, aber die Möglichkeit der Straffreiheit in Fällen zu normieren, in den Kinder und Jugendliche entsprechendes kinderpornografischem Material einvernehmlich kommunizieren und in denen die Weiterleitung zu Zwecken der Prävention im Rahmen der Wahrnehmung der Fürsorgepflicht gegenüber einem Kind oder Jugendlichen erfolgt, z.B. durch Eltern oder Lehrer.
Eines zeigt sich ganz deutlich. Der Kinderschutz hat bei Justizminister Buschmann und der gesamten Bundesregierung keine Lobby.