Der zwischen den EU-Staaten ausgehandelte Kompromiss zur Asylpolitik ist nicht menschenfeindlich, wie seine Gegner zum Beispiel aus den Reihen der Grünen kritisieren. Er stellt aber andererseits auch keine Lösung der aktuellen Migrationskrise dar. Es handelt sich vielmehr um einen ersten, notwendigen Schritt in die richtige Richtung, der nunmehr unverändert umgesetzt und mit Leben erfüllt werden muss, um das Ziel eines funktionierenden Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu erreichen.
Beschlossen wurde ein verpflichtendes Außengrenzverfahren für Menschen aus Herkunftsländern mit geringer Schutzquote (unter 20%). Dieses Grenzverfahren gilt nicht für unbegleitete Minderjährige, jedoch, anders als von der Bundesregierung ursprünglich gewünscht, für Kinder die mit ihren erwachsenen Familienangehörigen einreisen wollen. Dort muss jedoch der „besondere Unterbringungsbedarf“ von Kindern gewährleistet sein. Die Asylverfahren sollen in der Regel in 12 Wochen, jedoch höchstens nach 6 Monaten abgeschlossen werden.
Fakt ist, die Menschen aus den Hauptflüchtlingsländern wie Syrien, Afghanistan und Irak werden von den Grenzverfahren nicht betroffen sein, da die Anerkennungsquote als Asylbewerber hier weit über 20% liegt. Weiterhin gibt es einen verpflichtenden, aber in den Beiträgen flexiblen Solidaritätsmechanismus zwischen den EU-Staaten. Hier gibt es die Möglichkeit der Übernahme Schutzsuchender (mindestens 30.000), der Zahlung von Beiträgen für Projekte der Grenzsicherung (min. 600 Mio. Euro oder 20.000 pro Übernahme), und der Beteiligung an Maßnahmen für Kapazitätsaufbau, Personal und technische Unterstützung.
Ob dieser Mechanismus am Ende tatsächlich ausreicht, um Asylbewerber wirksam von einer Weiterreise nach Deutschland abzuhalten, wo es die attraktivsten Sozialleistungen gibt, darf bezweifelt werden. Aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sollte dies Anlass für die deutsche Bundesregierung sein, eine Obergrenze für die Aufnahmen von Asylberechtigten in Deutschland festzulegen, um bei darüber hinausgehenden Asylbewerberzahlen Ausgleichszahlungen zu leisten, statt diese Menschen aufzunehmen. Aber hier sind grundsätzlich noch viele Fragen offen und eine wirksame Umsetzung ist noch weit entfernt und keineswegs gesichert.
Mit dem jetzigen Beschluss ist jedoch noch nichts finalisiert. Zunächst wird ein Trilogverfahren mit dem Europäischen Parlament aufgenommen, bei dem sich die Bundesregierung dafür einsetzen will, dass alle Kinder und Jugendlichen von den Außengrenzverfahren ausgenommen werden. Ein Kernpunkt der Reform könnte damit in einem wesentlichen Punkt ausgehöhlt werden. Dies lehnen wir als Union entschieden ab und unterstützen an dieser Stelle die Position aller anderen EU-Mitgliedstaaten.
Die Vereinbarung wird im besten Fall frühestens in einem Jahr in Kraft treten. Anschließend müssen zunächst Kapazitäten aufgebaut und konkrete Umsetzungswege erarbeitet werden. Das bedeutet, dass sich in den nächsten zwei, drei Jahren am bestehenden Grenzregime nichts ändern wird. Deshalb muss man deutlich festhalten, dass die aktuellen Vereinbarungen keinen Beitrag zur Lösung der akuten Migrationskrise leisten werden. Diese Krise setzt sich derzeit unvermindert fort. Im Mai 2023 gab es in Deutschland fast 22.000 Asylerstanträge und im Gesamtjahr seit Januar waren es 125.000 (+76,6% im Vorjahresvergleich). Wer die Asylkrise lösen will, muss deshalb mit Grenzkontrollen, mehr Rückführungen, wirksamen Migrationsabkommen und geringeren Sozialleistungen für Asylbewerber wirksame Maßnahmen ergreifen. Sonst wird die Situation bleiben wie sie ist: der Großteil der Asylbewerber in der EU wird nach Deutschland streben und hier bleiben.
Insgesamt ist es trotzdem ein Erfolg, dass auf EU-Ebene erstmals eine Einigung zustande gekommen ist, die dem Problem wirksam begegnet, wenn sie denn nicht verwässert, sondern konsequent umgesetzt wird. Dass dieser Kompromiss in wichtigen Teilen gegen Deutschland getroffen wurde, das hier eher als Bremser denn als Treiber aufgetreten ist, zeigt eines: Ein Großteil des Problems liegt bei der derzeitigen Bundesregierung und ihrer einladenden Asylpolitik für alle. Die Reaktion vieler grüner Politiker, die das derzeitige System der illegalen Migration und Schleusungen offenbar für humaner halten als geregelte Grenzverfahren, spricht Bände.