Diese Woche hat Karl Lauterbach erneut unter Beweis gestellt, wie groß seine Distanz zu den Akteuren unseres Gesundheitssystems ist. Statt sein Ministerium für ein paar Minuten zu verlassen und das Gespräch mit den tausenden demonstrierenden Apothekern zu suchen, schoss er ein Foto aus seinem Büro und machte sich lustig über die Protestler, die sich für eine Erhöhung der Pauschale für verschreibungspflichtigem Medikamente einsetzen und die Zusatzbelastung durch den andauernden Medikamentenmangel anklagen. Die Kritik fiel entsprechend deutlich aus. „Ziemlich unerhört sich hier lustig zu machen über Menschen, die eine sehr wertvolle Rolle in unserem Gesundheitssystem spielen!“, „absoluten Armutszeugnis“ oder „Ich hätte ihrerseits mehr Respekt erwartet“ heißt es in den Kommentaren. Seit nunmehr fast einem Jahr fehlen in Deutschland wichtige Medikamente. Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sind aktuell gut 490 Meldungen zu Lieferengpässen erfasst. Probleme gibt es seit langem bei patentfreien Medikamenten wie Fieber- und Hustensäften für Kinder, aber auch bei Präparaten für Erwachsene wie Antibiotika und Krebsmedikamenten. Dass es für Kinder und chronisch Kranke seit geraumer Zeit an Medikamenten mangelt, ist ein Skandal.
Noch im April diesen Jahres schrieben die Kinder- und Jugendärzteverbände der Länder wie Deutschland, Österreich, Frankreich und anderen Ländern, an ihre Gesundheitsminister in Europa einen Brandbrief. Auch Karl Lauterbach erhielt einen solchen Brief. Der Verband der Kinder- und Jugendärzte befürchtet eine Zuspitzung der Lage. Gut 70 Prozent unserer Medikamente enthalten Wirkstoffe die nur noch aus China kommen. Eine Studie hatte 2020 ergeben, von rd. 560 untersuchten Wirkstoffen 93 nur noch außerhalb Europas hergestellt werden.
Die Unionsfraktion hat mehrfach einen Beschaffungsgipfel gefordert. Unter anderem in einem Antrag, den wir bereits im Januar in den Deutschen Bundestag eingebracht haben. Auf dem Gipfel sollen kurz- und mittelfristige Maßnahmen für alternative Beschaffungsmöglichkeiten von Medikamenten aus dem Ausland diskutiert werden. Zudem fordern wir bessere Verteilungswege bei bestehenden regionalen Ungleichheiten. Gleichzeitig soll ein Frühwarnsystem für künftige Engpässe eingerichtet werden und wir wollen zugleich Apotheker und den pharmazeutischen Großhandel schnell ertüchtigen, sich vor Engpässen besser präventiv wappnen zu können, etwa durch eine kostendeckende Vergütung von entsprechenden Dienstleistungen und Verbesserungen in den Bevorratungsmöglichkeiten. Langfristige Ansatzpunkte für eine zukünftige stabile Versorgung sind aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion unter anderem eine gezielte Strukturpolitik, die darauf abzielt, die Lieferketten zu diversifizieren, damit die Unternehmen der pharmazeutischen Industrie Wirkstoffe von verschiedenen Herstellern beziehen können, sowie der Erhalt von deutschen und europäischen Produktionsstandorten und die Förderung von deren Ausbau, um die Lieferketten zu verkürzen.
Die Bundesregierung hat die Vorschläge bisher nicht aufgegriffen und nur einen halbherzigen Gesetzentwurf vorgelegt, die Probleme nicht wirklich lösen wird. Experten befürchten, dass es zu lange dauern könnte, bis die fehlenden Medikamente wieder in den Apotheken verfügbar sind. Die Maßnahmen seien „ein erster, wenngleich sehr zaghafter Schritt in die richtige Richtung“, erklärte der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie in einer schriftlichen Stellungnahme für eine Anhörung im Bundestag. Die Herausforderungen für die Aufrechterhaltung der wohnortnahen Rund-um-die-Uhr Versorgung mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten durch öffentliche Apotheken werden in den kommenden Jahren nicht kleiner werden. Hier muss die Bundesregierung entschieden gegensteuern. Leider erleben wir im Moment das Gegenteil. Statt sich lustig zu machen über die Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland, sollte Karl Lauterbach als Bundesgesundheitsminister endlich dafür sorgen, dass Medikamente für alle kranken Menschen lieferbar sind.