Immer häufiger erreichen mich Fragen und Bedenken zum sogenannten „Selbstbestimmungesetz“ der Ampel-Koalition sowohl von Seiten vieler Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von Schwulen- und Lesbenverbänden, Terre de Femme und feministischen Gruppen. Und ihre Bedenken und Ängste sind berechtigt. Schon allein der Begriff „Selbstbestimmungsgesetz“ suggeriert, dass geschlechtliche Identität für jeden frei wählbar sei und sich die geschlechtliche Identität im Laufe des Lebens mehrfach ändert. In der Realität steht jedoch für die große Mehrheit unserer Gesellschaft das eigene Geschlecht nicht in Frage und die Ampel-Pläne stoßen in der Mitte der Gesellschaft auch deshalb auf breite Ablehnung.
Das Bundesverfassungsgericht hat das aus dem Jahr 1980 stammende Transsexuellengesetz als rechtswidrig erklärt. Dass es einer Anpassung bedarf, ist also unstrittig. Unser Ziel ist eine pragmatische, rechtssichere und diskriminierungsfreie Lösung für die relativ kleine Gruppe transgeschlechtlicher Menschen. Was die Ampel-Koalition dagegen plant, ist ideologisch aufgeladen als Teil einer fragwürdigen Identitätspolitik, geht weit über sinnvolle Anpassungen für die betroffene Gruppe trans- und intergeschlechtlicher Menschen hinaus und schießt über dieses Ziel deutlich hinaus.
So soll künftig jeder seinen Personenstand – also rechtliches Geschlecht und Namen – voraussetzungslos und im Jahrestakt ändern können ohne psychologisches Gutachten oder eine Beratung, allein durch bloße Selbstauskunft. Eine jährliche Möglichkeit zur Änderung des eigenen Vornamens und Geschlechts, die allein dem subjektiven Empfinden unterliegt und an keinerlei Beratung und Prüfung geknüpft ist, lehnen wir entschieden ab. Wir wollen, dass durch qualifizierte Beratung die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit des Anliegens gewährleistet wird, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil 2011 auch als maßgebliche Kriterien definiert hat. Auch ein Rückwechsel zum alten Geschlecht in Jahresfrist widerspricht diesem Grundsatz klar und findet nicht unsere Zustimmung.
Leider missachtet die Ampel auch die berechtigten Sorgen von Lesben- und Schwulenverbänden sowie feministischen Gruppen, die aus gutem Grund vor einem Eindringen von Transfrauen bzw. biologischen Männern in die Schutzräume von Frauen wie Frauenhäuser, Frauensaunen oder Frauengefängnisse warnen.
Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion wollen wir eine verpflichtende Beratung durch qualifizierte Fachleute mit zwei Beratungsterminen im Abstand von mindestens drei Monaten. Ziel der Beratung muss sein, die Betroffenen über die rechtlichen und individuellen Folgen der Entscheidung qualifiziert aufzuklären und im Entscheidungsfindungsprozess zu unterstützen. Wir wollen, dass durch qualifizierte Beratung die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit gewährleistet wird.
Sehr bedenklich sind die Ampelpläne in Hinblick auf Kinder und Jugendliche. So sollen bereits Kinder mit Zustimmung der Eltern einen Geschlechtswechsel vornehmen können und Jugendlichen soll ohne Einverständnis der Eltern durch Beschluss eines Familiengerichts die Änderung ihres Namens und ihres Geschlecht ermöglicht werden. Dies läuft dem Kinder- und Jugendschutz zuwider und stellt einen erheblichen Eingriff in das grundgesetzliche geschützte Erziehungsrecht der Eltern dar. Wir wollen nicht, dass typische altersbedingte Persönlichkeitszweifel von Jugendlichen in der Pubertät vermehrt in einen Geschlechtswechsel bei Jugendlichen münden und sprechen uns zum Schutz von Kindern und Jugendlichen dafür aus, dass ein Namens- und Geschlechtswechsel weiterhin im Rahmen eines Gerichtsverfahrens entschieden wird und ein Gutachten verpflichtend voraussetzt.
Das geltende Offenbarungsverbot ist völlig ausreichend und es ist aus rechtsstaatlicher Sicht unverhältnismäßig, Bürger mit einem Bußgeld bestrafen zu wollen, die transgeschlechtliche Personen mit verändertem Namen mit ihrem altbekannten Namen ansprechen. Als Union wollen wir eine Lösung, die den wirklich Betroffenen hilft, aber nicht die Grundlagen unserer Gesellschaft über Bord wirft und die Mehrheitsgesellschaft aus dem Blick verliert.