Ein zentraler Baustein der Migrationspolitik der Ampel-Koalition wurde diese Woche im Bundestag verabschiedet, nämlich das so genannte Chancen-Aufenthaltsrecht. Irreführend ist schon der Name, denn letztlich bedeutet das Gesetz eher eine Amnestie für Identitätstäuscher und einen Pull-Effekt für illegale Migration. Es geht nämlich darum, Menschen mit einer Duldung einen Aufenthaltstitel zu verschaffen. Aber was ist eine Duldung eigentlich?
Sie ist nach der Definition des deutschen Aufenthaltsrechts eine „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“ von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern. Sie stellt keinen Aufenthaltstitel dar und begründet daher auch keinen rechtmäßigen Aufenthalt. Geduldete sind daher de jure weiterhin ausreisepflichtig. Es bestehen nur praktische Hindernisse, bei Identitätsfeststellung oder der Kooperation mit dem Herkunftsstaat zum Beispiel. Unser Ziel muss es sein, mehr Geduldete zurückzuführen und nicht eine Legalisierung des Aufenthalts durch einen Titel über die bisherigen Möglichkeiten hinaus. Hier setzt die Koalition jedoch mit einer Stichtagsregelung an und will langjährig Geduldeten unter bestimmten Voraussetzungen quasi auf Probe einen Aufenthaltstitel geben. Dies bedeutet letztlich eine faktische Vermischung von Asyl- und Arbeitsmigration, weil abgelehnte Asylbewerber durch Integration in den Arbeitsmarkt das Asylrecht umgehen können. Wozu braucht man dann die an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte Fachkräfteeinwanderung, wenn man als nicht Asylberechtigter hier auf Kosten Deutschlands diese Voraussetzungen erwerben kann?
Der Gesetzentwurf der Ampel enthält noch weitere problematische Elemente. Heute ist die Situation so, dass Geduldete, die an ihrer Identitätsklärung nicht mitarbeiten, nicht die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erfüllen können. Dies wird mit dem jetzt beschlossenen Gesetz geändert, somit führt Identitätsverschleierung leichter zu einem Aufenthaltstitel. Zudem werden durch eine Verkürzung der Vorduldungszeiten auf sechs Jahre und für junge Menschen bis 26 Jahren auf drei Jahre, ausreisepflichtige Menschen leichter einen Zugang zu einem Aufenthaltstitel bekommen, bei Menschen bis 26 Jahren wird dies sogar der Regelfall sein, da viele Asylverfahren unter anderem aufgrund von Klagemöglichkeiten in der Regel drei Jahre und länger dauern. Die einzige mögliche Erklärung, warum man die Jugendprivilegien vom Alter unter 21 Jahren auf unter 27 Jahren ausgedehnt hat, ist, möglichst vielen Asylbewerbern einen Aufenthaltstitel geben zu wollen. Denn über die Hälfte aller Asylbewerber fallen in diese Alterskategorie.
Faktisch lautet die Botschaft des Gesetzentwurfes, dass Asylbewerber unabhängig von Asylgrund und Mitwirkung zukünftig leichter eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Dies nennen wir einen „Pull-Faktor“, also einen Faktor, der Migration nach Deutschland attraktiver machen wird. Auch auf hier lebende Asylbewerber dürfte das beschlossene Gesetz Auswirkungen haben, wie Prof. Daniel Thym, Rechtswissenschaftler und Sachverständiger bei der Anhörung in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf festgehalten hat: „Die Aussicht auf eine zügige Legalisierung dürfte die Motivation verringern, freiwillig auszureisen oder bei der Rückführung zu kooperieren. Wenn die Legalisierung an die tatsächliche Aufenthaltszeit anknüpft (und nicht an den Duldungszeitraum), besteht außerdem kein Interesse, das Asylverfahren unter Einschluss des gerichtlichen Rechtsschutzes zügig abzuschließen.“ In der Zeit einer Migrationskrise, in der nicht nur die Migration aus der Ukraine vor allem Länder und Kommunen belastet, gibt die Bundesregierung den migrationspolitischen Geisterfahrer innerhalb der EU.
Während selbst einst liberale Einwanderungsländer wie Schweden einen realistischen Kurswechsel in Migrations- und Integrationspolitik vollzogen haben, ist die Botschaft in Deutschland, dass jeder willkommen ist. Eine ebenfalls angekündigte Rückführungsoffensive lässt hingegen weiterhin auf sich warten. Stattdessen hat Innenministerin Faeser vor wenigen Tagen ihre Ideen zum schnelleren Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft vorgestellt, bei der selbst die FDP zumindest den Zeitpunkt kritisiert hat. Es ist schlimm, wie die Bundesregierung mit ihrer lockeren Migrationspolitik den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet und den Schutz von Geflüchteten untergräbt, indem sie abgelehnte Asylbewerber legalisiert. Wenn in gut einem Jahr die neuen Zahlen der ausreisepflichtigen Asylbewerber unter Wirkung des neuen Gesetzes aktualisiert werden, dann werden diese wahrscheinlich signifikant sinken. Sie sinkt aber nur dadurch, dass man diesen Personen einen Aufenthaltstitel gibt. Es bleiben die gleichen Wirtschaftsmigranten unter denen auch zunehmend Identitätstäuscher sein werden, die dann nicht mehr in der Statistik auftauchen. Diese statistische Bereinigung scheint im besonderen Interesse der Bundesregierung zu sein.