Russlands brutaler Überfall der Ukraine markiert den Beginn einer neuen Zeitrechnung auch in Deutschlands Außen-, Sicherheits-, aber auch in der Energie- und Wirtschaftspolitik. Neben der unmittelbaren Reaktion durch Waffenlieferungen an die Ukraine und der Isolation und Sanktionierung des Aggressors, steht die langfristige strategische Neuausrichtung im Mittelpunkt der deutschen Politik. Sie wird uns über viele Jahre beschäftigen. Der 24. Februar 2022 ist ein Erweckungsruf auch und gerade der politischen Linken. Die Notwendigkeit, die Bundeswehr angemessen auszustatten und das 2%-Ziel der NATO verpflichtend einzuhalten, war zuvor weder in der SPD, noch bei den Grünen vermittelbar, aber auch die Union muss sich fragen lassen, ob sie entschlossen genug für diese Ziele gekämpft hat.
Gleichwohl war es die CDU, die nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim ab 2014 kontinuierliche Budgeterhöhungen des Verteidigungsetats von 32,4 Mrd. Euro im Jahr 2014 auf 50,3 Mrd. Euro im Haushaltsplan 2022 durchgesetzt hat – immerhin ein Plus von rd. 55%. Diese Verbesserungen waren schwer erkämpft und wurden ab 2017 auch vom damaligen Finanzminister Olaf Scholz häufig ausgebremst. Symptomatisch ist, dass die SPD endlose Diskussionen um die Bewaffnung von Drohnen für die Bundeswehr führte und diese lange blockierte. Das ist nun vorbei und das ist gut so. Die von Olaf Scholz geplante Einführung eines Sondervermögens von 100 Mrd. Euro für die Ausstattung der Bundeswehr, das klare Bekenntnis zur NATO und ihrem 2%-Ziel, der Einsatz für eine auch unter strategischen Aspekten sichere Energieversorgung sind Meilensteine einer Lernkurve. Die Regierungserklärung von Olaf Scholz am 27. Februar 2022 bedeutet eine 180-Grad-Wende von SPD und Grünen und deshalb ist es nur konsequent, dass Friedrich Merz im Bundestag die Kooperation der Union dafür angeboten hat. Jetzt gilt es zu zeigen, dass die Neuausrichtung der Politik keine Eintagsfliege war, dass manche Stimmen von linken Sozialdemokraten und Grünen, die diese Trendwende nicht wollen, konsequent widerlegt werden. Nicht nur im Moment des Schocks und des Mitgefühls müssen wir handeln, sondern über viele Jahre die strategische Neuausrichtung politisch argumentativ und finanziell unterlegen. Denn Diplomatie kann gegenüber Autokraten nur ihre Wirkung entfalten, wenn sie mit militärischer Stärke unterlegt ist und eine echte Abschreckungswirkung entfaltet.
Eine weitere Konsequenz betrifft die Neuausrichtung unserer Energie- und Brennstoffversorgung. Schlafwandlerisch haben wir uns hier in eine Abhängigkeit von Russland begeben und müssen nun lernen, dass auch unsere Importe Russlands Krieg finanzieren, wir aber schwer von heute auf morgen darauf verzichten können. Hier müssen offen und ohne Denkverbote Entscheidungen getroffen werden, sei es in Sachen einer Laufzeitverlängerung der noch bestehenden Atomkraftwerke, sei es bei einer eventuellen Verschiebung des Kohleausstiegs. Ich begrüße ausdrücklich Robert Habecks Äußerung, dass im Zweifel Versorgungssicherheit wichtiger sei als Klimaschutz. Die Aufgabe der Union in dieser Zeit ist eine Besondere. Sie wird bei Grundgesetzänderungen und wichtigen Entscheidungen gefragt sein, sie wird aber auch dafür sorgen, dass der jetzt eingeschlagene Weg nachhaltig gegangen wird und dass Aspekte wie Neuverschuldung und Wirtschaftsentwicklung bei den anstehenden Entscheidungen mit bedacht werden. Nie wieder darf es passieren, dass wir einem Aggressor „blank“ gegenüberstehen, wie es Heeresinspekteur Alfons Mais zum Zustand der Bundeswehr festgehalten hat. Dazu bedarf es einer gemeinsamen nationalen und europäischen Kraftanstrengung.