Der seit November und Mitte Dezember noch mal deutlich verschärfte Lockdown zeigt erkennbar Wirkung. Gemessen am Höchststand der Sieben-Tage-Inzidenz je 100.000 Einwohner von 197,6 am 22. Dezember 2020, konnte das Infektionsgeschehen mit einer Inzidenz von rd. 65 aktuell ganz erheblich eingedämmt werden. Auch die Auslastung der Intensivkapazitäten und die Zahl der Toten, die an oder mit Covid19 sterben, geht stetig zurück. Angesichts dieses positiven Trends haben die aktuellen Beschlüsse der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten der Länder, die im Wesentlichen eine Verlängerung der Maßnahmen bis zum 7. März beinhalten, bei vielen Bürgern durchaus Ernüchterung ausgelöst.
Die wenigsten hatten kurzfristig umfassende Lockerungen erwartet, aber angesichts stetig sinkender Zahlen und des bereits langwährenden Lockdowns waren doch frühere Lockerungen als jetzt beschlossen und verbindliche Entscheidungen über weitere Öffnungen auf Basis festgelegter Indikatoren erhofft worden.
Diese Lockerungen, aber vor allem verbindliche Fahrpläne für Lockerungen in der Pandemie fehlen weitgehend in den aktuellen Beschlüssen. Zwar sollen Grundschulen und Kitas schrittweise in der Hoheit der Länder öffnen dürfen und auch für Friseure gibt es ab 1. März eine Perspektive, aber weitere Wiederöffnungen vom Einzelhandel bis Kultur und Gastronomie bleiben weiterhin im Ungewissen. Dies halte ich nicht für akzeptabel, weil der Chef des Bundeskanzleramtes und die Chefs der Staatskanzleien ausdrücklich beauftragt worden waren, rechtzeitig vor der nächsten Konferenz ein Konzept für eine sichere und gerechte Öffnungsstrategie vorzulegen. Zudem sehen die neuen Beschlüsse einen Inzidenzwert von 35 als Hürde für weitere Öffnungsschritte vor, die dann vor allem Einzelhandel und Museen betreffen sollen. Bei allem Optimismus ist die Erreichung dieses Werts in näherer Zukunft nicht zu erwarten.
Ich teile die Auffassung, die in der gestrigen Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zum Ausdruck kam, dass die Lage ambivalent und volatil ist. Die zunehmenden Impfungen und die sinkende Inzidenz und Belegung der Intensivbetten rechtfertigen Öffnungsperspektiven, die Ungewissheit ansteckenderer Virusmutationen lässt hingegen Vorsicht angezeigt sein. Noch etwas Vorsicht und Geduld seien es wert, wenn damit ein neues exponentielles Wachstum der Infektionszahlen verhindert werden kann, hat die Kanzlerin im Bundestag ausgeführt. Es wäre in niemandes Interesse, zu frühe und zu weitreichende Lockerungen zu veranlassen und damit das Erreichte in kurzer Zeit zunichte zu machen und einen dritten Lockdown zu riskieren.
Gleichwohl ist unverkennbar, dass die Zumutungen im Bereich des wirtschaftlichen, familiären und sozialen Lebens für viele die Grenze des Erträglichen mittlerweile überschritten haben. Viele können einfach nicht mehr und die Mahnung zur Geduld stößt bei Ihnen auf Unverständnis. Das gilt für Familien, deren Kita- und Schulkinder bereits seit fast zwei Monaten zu Hause sind und für die Homeoffice im Beisein der Kinder Tag für Tag eine immense Belastung ist. Und dies gilt insbesondere auch für hunderttausende Selbstständige und Unternehmer im Einzelhandel, in der Gastronomie, im Schausteller- und Veranstaltungsgewerbe und vielen anderen Branchen, die seit rd. einem Jahr mit zwei Lockdowns wenig bis gar keine Einnahmen erzielen.
Ein weiterer Aspekt sind die Wirtschaftshilfen. Anders als im Frühjahr sind die Unterstützungen viel zu schleppend verlaufen, egal ob es um November- und Dezemberhilfen oder die Überbrückungshilfe III geht. Nachdem es enormen Druck aus den Reihen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gab, kann nun endlich die Überbrückungshilfe III auf einer bundeseinheitlichen Plattform beantragt werden. Schnelle, automatisierte Abschlagszahlen innerhalb weniger Tage werden den notleidenden Unternehmen und Selbstständigen helfen. Dies ist auch dringend erforderlich. Mich erreichen viele Hilferufe und das Unverständnis hat sich diese Woche auch in der Fraktion Bahn gebrochen. Aber Alle die nun mit Fingern auf das Wirtschaftsministerium zeigen, müssen wissen, dass vor allem das Finanzministerium gebremst hat, zusätzliche Bürokratie gefordert hat und somit Prozesse verzögerte. Auch die Länder sahen sich mit dem Procedere überfordert und haben die Programmierung der Auszahlungsprogramme dem Bund übertragen, statt die Mittel ähnlich wie die Soforthilfen im letzten Frühjahr selbst zu bewilligen und auszuzahlen. Dass Programmierung und Koordinierung mit 16 Bundesländern Zeit braucht, liegt auf der Hand. Fakt ist, dass wir hier besser werden müssen, die Menschen und die Unternehmen brauchen jetzt Hilfen und dann Perspektiven nach der Pandemie.
Vor Ablauf der aktuellen Beschlüsse muss es ein Öffnungsstrategie mit verbindlichen Schritten auf Grundlage von Indikatoren geben, die anschließend auch dauerhaft gelten.