Der Abschlussbericht der „Fachkommission Integrationsfähigkeit“, der vor wenigen Tagen vorgelegt wurde, hat hohe Wellen geschlagen und massive Kritik ausgelöst, insbesondere auch bei mir und weiteren Innenpolitikern der Unionsfraktion. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass eine aufgrund des Koalitionsvertrages durch die Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission ihren Arbeitsauftrag komplett ignoriert und stattdessen eine Debatte darüber anstößt, den Begriff „Migrationshintergrund“ besser abschaffen zu wollen. Ausgangspunkt der Kommission war die Festlegung der Koalitionspartner im Koalitionsvertrag auf einen Zielkorridor von maximal 180.000 – 220.000 Zuwanderern jährlich, verbunden mit dem Arbeitsauftrag darzulegen, wieviel Zuwanderung Deutschland unter welchen Rahmenbedingungen mit Blick auf die Integration dauerhaft verträgt. Es ging also um Integrationsfähigkeit der Gesellschaft und um Integrationshemmnisse.
Die Fachkommission hat den Begriff Integrationsfähigkeit jedoch als Verengung abgelehnt und sich stattdessen ungefragt zu allgemeinen integrationspolitischen Fragestellungen relativ einseitig positioniert. So wird Integration als Aufgabe des Staates und der Mehrheitsgesellschaft beschrieben und nicht vornehmlich als eine Bringschuld der Migranten. Mit den Postulaten der „Teilhabe und Teilnahme“ wird außerdem dem integrationspolitischen Grundprinzip der Bundesregierung des „Fördern und Forderns“ entgegengetreten. Bestehende Integrationsdefizite werden weitgehend ausgeblendet. Schon im Titel wird diese Umwertung deutlich: „Gemeinsam die Einwanderungsgesellschaft gestalten“ heißt es dort. Von Begrenzungen der Einwanderung oder Grenzen der Integrationsfähigkeit ist keine Rede mehr.
Verbalakrobatik über Migrationsbegrifflichkeiten an Stelle einer substanziellen Auseinandersetzung mit Integrationsdefiziten hilft aber weder den Migranten noch der Mehrheitsgesellschaft. Bezeichnend ist, dass sich mehrere namhafte Kommissionsmitglieder den gängigen linken Narrativen im Bericht nicht anschließen wollten und abweichende Stellungnahmen abgegeben bzw. die Kommission vorzeitig verlassen haben, wie der renommierte Historiker Prof. Dr. Andreas Rödder. Insgesamt stehen die Kernaussagen des Berichts der Integrationspolitik der Union teilweise diametral gegenüber. Mein Kollege Christoph Bernstiel hat sehr treffend festgestellt, dass bereits bestehende Parallelgesellschaften in unserem Land sich weiter verfestigen statt aufgelöst würden, wenn man alle Empfehlungen und Gedankengänge des Berichts aufgreifen würde. Und auch Ali Ertan Toprak, der als Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände (BAGIV) und als Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschlands die Interessen von über drei Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland vertritt, ist enttäuscht von dem Bericht. Er hat seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass Integration nur im Einvernehmen mit der einheimischen, der aufnehmenden Gesellschaft gelingen kann und nicht gegen sie. Wer allein den Staat und die Aufnahmegesellschaft in der Bringschuld sehe, gefährde den sozialen Frieden und nütze damit nicht den Anliegen der Migranten, sondern stärke allein den rechten Rand in unserem Land.
Was wir brauchen, sind echte Analysen der Probleme und ihrer Ursachen, einerseits des Integrationserfolgs und andererseits der misslungenen Integration bei unterschiedlichen Migrantengruppen. Dafür gibt es wissenschaftlich anerkannte Indikatoren wie Erwerbsbeteiligung, Bildungsabschlüsse oder Delinquenz im Vergleich unterschiedlicher Gruppen. Einen gewichtigen Beitrag in der Integrationsdebatte kann dieser Kommissionsdebatte leider nicht leisten.