Heute vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg durch die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Dieser Moment ist Ausdruck der totalen moralischen Niederlage Deutschlands, der Befreiung vom Nationalsozialismus, Ausgangspunkt der zivilisatorischen Rückkehr Deutschlands in die Staatengemeinschaft und zwingende Voraussetzung für ein Leben in Frieden und Freiheit mit unseren Nachbarn.
Mit diesem Tag endete ein furchtbarer Vernichtungskrieg, den Deutschland, den die Nazis vom Zaun gebrochen hatten. Mit diesem Tag endeten Nazi-Barbarei, Judenvernichtung, politische Verfolgung und Diktatur. Und das war ohne Zweifel eine Befreiung.
Heute vor 75 Jahren stand das Brandenburger Tor, das ich täglich mehrfach auf dem Weg von meinem Büro zum Reichstag passiere, zerschossen in einer Trümmerwüste. Für viele Menschen ging das Leid weiter, Hunger, Entbehrungen, Obdachlosigkeit, eisige Winter und auch mancherorts die Rache der Sieger standen noch bevor. Doch darf man niemals vergessen, dass die Grundlagen dafür in der Aufrichtung der Naziherrschaft und im Entfesseln des Krieges lagen.
Trotzdem war dieser Tag ein Neuanfang, die sprichwörtliche Stunde Null. Es war wieder Frieden und dieses Glück des Friedens haben wir in Deutschland bis heute bewahren können. Es folgten Wiederaufbau und Wirtschaftswunder, die Erarbeitung des Grundgesetzes, die Etablierung eines stabilen demokratischen Staates zumindest im Westen Deutschlands. Die Teilung Deutschlands war eine bittere Kriegsfolge und es ist ein großes Glück, dass wir sie vor 30 Jahren überwinden konnten.
75 Jahre – das bedeutet auch, dass sich nur sehr Wenige noch an den Krieg erinnern können. Die Erfahrungen von Bombennächten, an der Front, die Schicksale der Häftlinge in den Konzentrationslagern – sie werden uns zunehmend nicht mehr durch Zeitzeugen erzählt werden können. Und doch gilt es, die Erinnerung zu bewahren, wie schlimm Krieg ist und warum Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Werte sind, die wir bewahren und verteidigen müssen. Dies ist eine Aufgabe die wir alle gemeinsam haben, denn es ist nicht selbstverständlich. Und gerade die jüngsten Entwicklungen der nationalen Alleingänge, der Abschottung, der Verunglimpfung von Minderheiten oder anderen Religionen zeigen, dass wir die Folgen von Revanchismus und Totalitarismus niemals vergessen dürfen.