Der Fall der Mauer am 9. November 1989 markiert den glücklichsten Moment der jüngeren deutschen Geschichte.
Die physische Trennung zwischen Ost und West, die Bedrohung mit dem Tode beim Grenzübertritt, das Einsperren eines Teils des deutschen Volkes war vorbei. Sinnbildlich beendete der Fall der Mauer die Teilung Europas und war der entscheidende Schritt für das Zusammenwachsen des Kontinents und das Ende des Kommunismus in Osteuropa.
Der 9. November 1989 ist so ein Tag, an den man sich an den Moment erinnert, als die Mauer plötzlich offen war und was man gerade tat, als man es erfahren hatte. Es folgten Tage des Glücks, Begegnungen von Freunden und Verwandten, von Menschen aus Ost und West, einer Wiederbegegnung, der in schneller Dynamik die Einheit Deutschlands folgte.
Ich erinnere mich noch genau, als ich als 14-jähriger Junge diese großen Glücksmomente live und gebannt im Fernsehen verfolgte. Am nächsten Tag diskutierten wir im Gemeinschaftskunde-Kurs meiner Schule die aktuellen Geschehnisse und wagten erste Prognosen über die weiteren Entwicklungen. Bereits am übernächsten Wochenende fuhren meine Eltern mit uns Kindern nach Mecklenburg-Vorpommern, um uns Rostock, Schwerin und Wismar anzuschauen. In Hamburg wiederum wurden tausende ostdeutsche Brüder und Schwestern am Horner Kreisel mit ihren Trabis freudig und jubeln begrüßt. Deutschland einig Vaterland war damals das Motto. Und es gilt bis heute.
Mein Mitarbeiter Roman Fürtig lebte damals auf der anderen Seite der Mauer in Ost-Berlin. Er erinnert sich: „Ich war damals 15 Jahre alt. Mit wachsenden Hoffnungen hatten wir im Sommer und Herbst 1989 die Entwicklungen verfolgt: die Öffnung der Grenze in Ungarn, die Fluchtbewegungen über Ungarn nach Österreich und die Versuche der DDR, dies zu verhindern. Dann die Menschen in der (west)deutschen Botschaft in Prag und Genschers berühmte Rede vom Balkon. Der Mut wuchs, es gab Demonstrationen erst in Leipzig, später auch in Berlin- Einige Tage war ich dabei, hoffnungsvoll und auch ängstlich. Trotzdem hatten wir nicht erwartet, dass die Mauer so rasch und friedlich fallen würde. Als sich am Abend die Meldungen häuften, dass die Menschen sich an den Grenzübergängen sammelten, dass die Grenzen offen seien, da waren wir euphorisch und fassungslos, auch wenn die Angst, dass alles zurückgedreht werden könnte, noch eine ganze Weile blieb.
Am nächsten Tag fuhren auch wir über den Checkpoint Charlie nach Westberlin. Wir bummelten über den Kudamm und genossen die Stimmung.
Obwohl fast überall Ostmark genommen wurde, zahlten wir mit unserem raren Westgeld, das wir schwarz zu horrenden Kursen umgetauscht hatten. Mir fiel nur das Licht auf, die bunten Lampen, die Werbung, die vielen Geschäfte mit unglaublicher Auswahl und Restaurants, an denen man nicht anstehen musste. Überall Neugier, Lebensfreude, Begegnung und euphorische Stimmung, das Bewusstsein einen historischen Moment zu erleben.
Auf dem Rückweg, in einem Interhotel im Osten, trafen wir einen Mann aus Westberlin der vor Glück weinte. Weil er einst einen Grenzzaun durchgeschnitten hatte, war er festgenommen worden und in der DDR inhaftiert worden, später hatte ihn die Bundesrepublik freigekauft. Er durfte nie wieder in die DDR einreisen – erst der Fall der Mauer hatte diese Einreisesperre beendet.“
Aus meier Sicht ist Überwindung der Teilung das größte Glück und der Fall der Mauer der entscheidende Moment auf dem Weg zur Einigung Deutschlands.
Und auch wenn es Probleme gab, wenn die Vollendung der Teilung länger als gedacht dauerte und auch heute noch nicht abgeschlossen ist, dann sollten wir uns nicht den Mut und den Willen nehmen lassen, das zu vollenden, was am 9. November 1989 möglich wurde. Die Deutsche Einheit hat unser Land bereichert. Wertvoll für mich sind die unzähligen freundschaftlichen Kontakte zu Menschen aus den neuen Bundesländern. Die Herkunft aus Ost oder West hat in meiner Generation schon keine Rolle mehr gespielt. Wir können gemeinsam stolz darauf sein, was wir erreicht haben. Die Aufbauleistung nach dem Zusammenbruch der völlig maroden Volkswirtschaft der DDR und die Annäherung an die westdeutschen Lebensverhältnisse ist enorm. Die ostdeutschen Bürger verdienen Anerkennung dafür, wie sie die völlig neuen Anforderungen der Sozialen Marktwirtschaft gemeistert haben, die millionenfach auch mit persönlichen Brüchen der Erwerbsbiographie verbunden war. Und Anerkennung verdient auch die Bereitschaft der westdeutschen Bürger, diese große Aufbauleistung finanziell zu ermöglichen.
Die Wende war nur möglich durch den unbändigen Freiheitswillen zehntausender DDR-Bürger, die mutig auf die Straße gingen und sich nicht mehr von den Repräsentanten des SED-Unrechtsstaats einschüchtern ließen. Dies sollten wir würdigen und schräge Vergleiche, derer sich fremdenfeindliche Rechtspopulisten heute bedienen, in aller Klarheit zurückweisen.