An sich ist es nicht verkehrt, dass die SPD in einem neuen Sozialstaatskonzept Forderungen vorbringt, von denen sie weiß, dass sie gemeinsam mit der Union nicht umsetzbar sein werden, dass sie ein Angebot an die eigenen Anhänger und Wähler macht.
Allerdings ist es auch Notanker einer Partei, die zumindest auf Bundesebene in einem Existenzkampf steckt und die mit dem Sozialstaatskonzept wieder auf die Beine kommen möchte.
Die Chance, dass dies dauerhaft gelingt, ist gering. Die SPD hat die Wähler schließlich nicht verloren, weil sie unsozial gewesen wäre: Auch mit der Union hat sie in den vergangenen Jahren unter anderem mit Mindestlohn, Rente mit 63, Rückkehrrecht aus Teilzeit viele soziale Verbesserungen durchgesetzt. Dass diese Verbesserungen nur möglich waren, weil die SPD mit Hartz IV den Grundsatz der Förderung von Arbeit den Vorzug vor der Unterstützung von Arbeitslosigkeit gegeben hatte, will die Partei nicht mehr wahrhaben. Eine längere Zahlung von Arbeitslosengeld, ein Bürgergeld und der Wegfall von Sanktionen, sind nicht nur seriös nicht zu bezahlen. Sie führen auch dazu, dass das Bemühen um einen Arbeitsplatz abnehmen wird, dass viele Arbeitnehmer keine Motivation haben werden, Arbeit aufzunehmen. Mittelfristig wird dies die Arbeitslosigkeit steigern und das Sozialsystem durch geringere Steuern und Beiträge weiter belasten – so verspielt man Zukunft. In der SPD ist dies wahrscheinlich vielen bewusst, aber im Abstiegskampf nimmt man es mit Seriosität nicht mehr so genau.
Fast noch verheerender ist die Grundrente, denn hier werden Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft ausgehebelt, weil die Rentenhöhe sich nicht mehr nach Höhe und Dauer der Beitragszahlungen richtet. Belohnt werden Niedrigverdiener, während zum Beispiel viele Frauen mit Kindererziehungszeiten und nur zeitweiser Berufstätigkeit außen vor bleiben dürften. Auch der Facharbeiter, der sich seine nicht eben exorbitante Rente hart verdient hat, wird gegenüber dem Niedrigverdiener benachteiligt und erhält vielleicht geringere oder gleichhohe Rente. Alle, die privat vorgesorgt haben, wie es der Staat ja gewünscht hatte, dürfen sich ebenfalls als die Gelackmeierten fühlen. Eine Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro komplettiert das Programm; Die Verantwortung für die Findung eines wirtschaftlich vertretbaren und zugleich sozialpolitisch gerechten Mindestlohns ist aus guten Gründen in die Hände der Tarifpartner gelegt worden, in die so genannte Mindestlohn-Kommission, damit die Lohnhöhe nicht parteipolitisch instrumentalisiert wird. Genau dies tut die SPD nun wieder.
Die SPD positioniert sich neu: Sozialpolitische Prinzipien und Finanzierbarkeit bleiben auf der Strecke, Folgen werden ausgeblendet. Die SPD möchte endlich wieder richtig links sein und träumen.
Aus der gesellschaftlichen Mitte hat sie sich damit jedoch vorerst zugunsten eines linken Populismus verabschiedet.